Von traditioneller zu standardbasierter Entwicklung

Der Schritt von traditioneller zu standardbasierter Entwicklung von Webseiten erfordert Zeit, Geduld und Übung. Barrierefreiheit ist ein Sensibilisierungs- und Bewusstseinsprozess, das Umsetzen - barrierefreies bzw. barrierearmes Webdesign - wiederum ein Handwerk, das mit etwas Lernaufwand verbunden ist.
Stand 10.09.2008

Inhaltsübersicht:

  1. Die ersten Schritte
  2. Chancen und Risiken
  3. Barrierefreiheit in Wirtschaft und Gesellschaft

Die ersten Schritte

Ganz allgemein ergeben sich auf dem Weg zum barrierefreien bzw. barrierearmen Webdesign folgende "Top 10"-Fragen, deren positive Beantwortung einen großen Schritt in Richtung barrierefreier Informationstechnik bedeutet:

  1. Werden aktuelle Technologien eingesetzt?
  2. Ist die Seite auch ohne Javascript bedienbar?
  3. Sind Grafiken mit Alternativtexten und Beschreibungen versehen?
  4. Ist die Seite kontrastreich gestaltet?
  5. Sind Schriften skalierbar?
  6. Sind Frames beschriftet und wird ein Alternativbereich angeboten bzw. werden Container zur Strukturierung eingesetzt?
  7. Werden Strukturierungselemente richtig eingesetzt?
  8. Wird eine einfache und übersichtliche Navigation verwendet?
  9. Sind Verweise auch außerhalb des Kontextes sinnvoll bezeichnet?
  10. Ist eine Tastatursteuerung möglich?

Begonnen werden kann beim Umsetzen eines barrierefreien bzw. barrierearmen Webdesign mit grundlegenden Änderungen wie dem Hinzufügen eines korrekten Dokumententypes, dem Ergänzen von Textalternativen sowie der Vergabe von aussagekräftigen Seitentiteln. Mittelfristig sollten dann Anpassungen bezüglich validem und semantisch korrektem Quelltext erfolgen, integrierte <font>-Elemente und Farbinformationen durch Style Sheet-Angaben ersetzt und zugängliche Formulare sowie Datentabellen gestaltet werden. Abschließend ist die komplette Trennung von Inhalt und Layout durch Auslagern aller Formatierungen und Positionierungen in CSS-Dateien vorzunehmen.

Eine hundertprozentige Barrierefreiheit kann aufgrund der vielen individuell geprägten Barrieren wahrscheinlich nicht erreicht werden. Es ist jedoch möglich, die Dokumente auf Validität sowie Barrierefreiheit mit Hilfe von Testwerkzeugen zu überprüfen und die Empfehlungen des W3C (siehe Web Content Accessibility Guidelines) bei der barrierefreien Gestaltung von Webseiten umzusetzen.

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Chancen und Risiken

Kritisch betrachtet birgt barrierefreies bzw. barrierearmes Webdesign sowohl Chancen als auch Risiken. Die durchgeführten Recherchen und Tests haben gezeigt, dass sich weder Browser- noch Hilfsmittelhersteller vollständig an die Standards halten. Doch je mehr Entwickler und Auftraggeber von Webseiten sich mit dem Thema Barrierefreiheit auseinandersetzen, sich an die Standards halten und die Richtlinien der WCAG oder der BITV (siehe Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung) befolgen, desto eher wird auch von Seiten der Hersteller von Browser-Umsetzungen und Hilfsmitteln eine standardisierte Herangehensweise umgesetzt werden.

Der Besucher profitiert von schneller geladenen Dateien, einem für ein breiteres Spektrum an Nutzern und eine größere Anzahl von Geräten zugänglichen Inhalt, je nach Bedürfnissen anzupassenden Seiten und der Möglichkeit druckfreundlicher Versionen für alle Seiten.

Aus Kundensicht sind barrierefreie Seiten leichter zu pflegen, das Layout kann unproblematisch geändert und druckfreundliche Versionen ohne viel Mehraufwand bereitgestellt werden. Dadurch entstehen weniger Kosten bei Anpassungen, die Suchmaschinen-Platzierung und die Zugänglichkeit werden verbessert.

Für den Webdesigner oder Webentwickler sind Seiten leichter zu erstellen und zu pflegen, die Entwicklung erfolgt geräteunabhängig. Und noch schafft die barrierefreie Gestaltung von Webseiten einen Wettbewerbsvorteil.

Das Umsetzen barrierefreier Webseiten kann jedoch durchaus mit einigem Mehraufwand verbunden sein. Entscheider im Unternehmen müssen überzeugt, Mitarbeiter sensibilisiert, geschult und motiviert werden.

Das Erstellen einer komplett neuen Website wird (vorerst) aufwendiger sein, dafür nötiges Wissen muss transferiert werden. Tests müssen durchgeführt werden, möglicherweise auch von externen Stellen. Inhalte sollten in einfacher Sprache aufbereitet, zusätzliche Texte für Bilder, Animationen und Videos erarbeitet werden. Das Anbieten unterschiedlicher Formatvorlagen erfordert zusätzliche Designs. Javascript-Funktionalitäten müssen überprüft und alternative Zugangswege sichergestellt werden.

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Barrierefreiheit in Wirtschaft und Gesellschaft

Das Thema barrierefreies bzw. barrierearmes Webdesign findet zunehmend Gehör in Wirtschaft und Gesellschaft.

Um Webseiten auf Nutzbarkeit für Menschen mit körperlichen Einschränkungen zu testen, hat die Initiative Barrierefrei Informieren und Kommunizieren verschiedene Tests unterschiedlichen Umfangs entwickelt, mit denen die Anforderungen der Barrierefreie[n] Informationstechnik-Verordnung (BITV) überprüft werden. Alle Tests werden von ausgebildeten Experten durchgeführt, Zweifelsfälle im Team diskutiert. Ergebnis ist eine Sammlung von Fragen und Antworten zum BITV-gerechten Webdesign.

Auch die Stiftung Digitale Chancen und die Aktion Mensch haben auf Grundlage der BITV ein Bewertungsverfahren entwickelt, um Internetangebote auf Barrierefreiheit zu überprüfen. Mit dem sog. BIENE-Award wurde ein Wettbewerb ins Leben gerufen, bei dem sich Unternehmen mit barrierefreien Webseiten in verschiedensten Kategorien bewerben können. Im Jahr 2005 waren es die Kategorien E-Business, E-Government / E-Democracy, Kultur und Gesellschaft, Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Medien, im Jahr 2006 die drei Kategorien Informations- und Kommunikationsangebote, Einkaufs- und Transaktionsangebote sowie Recherche- und Serviceangebote.

Die eingereichten Webseiten werden umfangreichen Prüfungen unterzogen, die besten barrierefreien Angebote identifiziert und mit der BIENE prämiert. In den vergangenen Jahren haben sich hunderte Unternehmen und Organisationen an dem Internet-Wettbewerb beteiligt.

BIENE-Award

Bildbeschreibung "BIENE-Award": Logo der "Biene".

Eine barrierefreie Website ist keine kostspielige Angelegenheit, vor allem nicht, wenn Empfehlungen und Standards von Anfang an berücksichtigt und eingehalten werden. Erforderlich ist dazu jedoch das Aneignen von Wissen auf Seiten der Konzeptionierer, Designer, Programmierer und Redakteure.

Eine Ende 2004 vom Barrierekompass durchgeführte E-Mail-Befragung von über 70 Hoch- und Fachhochschulen (externer Verweis: http://barrierekompass.de/aktuelles/detail/barrierefreies-webdesign-in-der-ausbildung.html), welchen Stellenwert das Thema Barrierefreiheit in der Ausbildung junger Designer hat, lieferte ein ernüchterndes Ergebnis: nur drei Hochschulen antworteten, kaum eine Hochschule hatte das Thema auf dem Lehrplan.

Zwar hat die Thematik des barrierefreien Internets in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Beachtung gewonnen, die Umsetzung in der Praxis leidet jedoch unter Nachwuchsmangel. Generationen von Designern und Programmierern haben in der Vergangenheit ihr Studium absolviert, ohne jemals von Barrierefreiheit, Accessibility und Usability gehört zu haben.

Die barrierefreie Gestaltung von Webseiten bringt allen Nutzern Vorteile. Egal welche Plattform, egal welcher Browser, egal welches Endgerät: allen Nutzern werden äquivalente Inhalte zur Verfügung gestellt; und quasi nebenbei wird auch für Nutzer mit Behinderungen der Zugang zum Medium Web geebnet.

Weiterführende Literatur:

Barrierefrei Informieren und Kommunizieren:
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Über BIK,
http://www.bik-online.info/bik/index.php, Stand vom 19.10.2007
Aktion Mensch, Stiftung Digitale Chancen:
Symbol für 'Artikel im Web verfügbar'
Barrierefreies Internet eröffnet neue Einsichten,
http://www.biene-award.de, Stand vom 19.10.2007
Hellbusch, Jan Eric und Bühler, Christian (Herausgeber):
Buchdeckel Barrierefreies Webdesign
Barrierefreies Webdesign, Seite 352,
dpunkt-Verlag, Heidelberg, 1. Auflage 2005,
ISBN 3898642607

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