Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV)

Die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung) verpflichtet öffentliche Institutionen, ihre Website barrierefrei zu gestalten.
Stand 21.10.2011

Inhaltsübersicht:

  1. Deutsche Richtlinien der BITV
  2. BITV 2.0
  3. WCAG und BITV im Vergleich

Deutsche Richtlinien der BITV

Aufbauend auf das Behindertengleichstellungsgesetz wurde am 17.07.2002 die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung - BITV) vom Bundesministerium herausgegeben.

In der Anlage enthält die BITV nach BGG §§ 3 und 4 Abs.1 eine Liste mit Anforderungen an barrierefreies bzw. barrierearmes Webdesign. Im direkten Vergleich mit der deutschen Übersetzung der WCAG (Version 1.0) von René Hartmann werden "Richtlinien" zu "Anforderungen" (erste Gliederungsebene) und "Checkpunkte" zu "Bedingungen" (zweite Gliederungsebene). Zusätzlich sind die BITV-Anforderungen auf nur zwei statt drei Prioritäten beschränkt.

Aufbau der Barrierefreie[n] Informationstechnik-Verordnung

Bildbeschreibung "Aufbau der Barrierefreie[n] Informationstechnik-Verordnung": Unterteilt in Priorität 1 (Muss) und Priorität 2 (Soll).

Priorität 1 beschreibt die Anforderungen, die für eine barrierefreie Website erfüllt werden müssen und definiert unerlässliche Mindestanforderungen. Priorität 2 beinhaltet Anforderungen, die erfüllt werden sollten oder auch müssen, wenn es sich um zentrale Einstiegsangebote handelt.

Seitenanfang

BITV 2.0

Als Konsequenz zu den Änderungen der Web Content Accessibility Guidelines 2.0 ist am 12.09.2011 eine aktualisierte Fassung der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung erlassen worden (siehe auch Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung - BITV 2.0), http://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/BJNR184300011.html)).

Die wesentlichste Änderung zur vorherigen Fassung: Auf der Startseite von öffentlich zugänglichen Internet- oder Intranetangeboten und grafischen Programmoberflächen von Behörden sind Informationen zum Inhalt und Hinweise zur Navigation in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache bereitzustellen. Gleiches gilt für Hinweise auf weitere in diesem Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache oder in Leichter Sprache.

Die Umsetzungsfrist für neue Angebote ist mit dem 22. September 2012 angegeben. Für bestehende Angebote gilt eine Nachbesserungsfrist bis 22. März 2014.

In Anlage 1 (zu § 3 und § 4 Absatz 1) werden Anforderungen und Bedingungen im bekannten 2-Stufen-Prinzip (Muss-Soll) festgelegt (siehe auch BITV 2.0, Anlage 1 (zu § 3 und § 4 Absatz 1), http://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/anlage_1_8.html). Neu hinzugekommen ist Anlage 2 mit detaillierten Hinweisen zu den Anforderungen Gebärdensprache und Leichte Sprache (siehe auch Vorgaben für die Bereitstellung von Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache: Anlage 2 (zu § 3 Absatz 2 und § 4 Absatz 1), http://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/anlage_2_9.html).

BITV 2.0, Anlage 1, Priorität I (Muss)

Folgende Anforderungen und Bedingungen sind als Muss-Kriterien (Priorität I) in Anlage 1 zur BITV 2.0 festgehalten:

  1. Wahrnehmbarkeit (Prinzip 1):
    • Alternativen für jeden Nicht-Text-Inhalt
    • Alternativen für zeitgesteuerte Medien (Text-Alternativen, Tonspur, Untertitel)
    • Inhalte ohne Informations- oder Strukturverlust (Informationen, Strukturen, Beziehungen, Reihenfolge, Merkmale)
    • Wahrnehmung des Inhalts und Unterscheidung zwischen Vorder- und Hintergrund (Farbe, Audio-Kontrolle, Kontrast mindestens 4,5:1 bzw. bei Großschrift mindestens 3:1, veränderbare Textgröße mindestens bis auf 200%, Vermeiden von Schriftgrafiken)
  2. Bedienbarkeit (Prinzip 2):
    • Tastatur-Zugänglichkeit (Tastaturbedienbarkeit, keine Tastaturfalle)
    • ausreichend Zeit zum Lesen und Verwenden (zeitbezogene Anforderungen wie ausschalten, verlängern, Hinweis auf Zeitablauf, Bewegungen anhalten, beenden und ausblenden)
    • keine epileptischen Anfälle erzeugen (Ausnahme: "general flash / red flash"-Schwellen)
    • Orientierungs- und Navigationshilfen (Elementgruppen, Webseiten-Titel, Fokus-Reihenfolge, Zweck eines Links im Kontext, alternative Zugangswege, Beschriftungen wie Überschriften und Label, sichtbarer Fokus, Standort)
  3. Verständlichkeit (Prinzip 3):
    • lesbare und verständliche Texte (vorherrschende Sprache)
    • Aufbau und Benutzung sind klar (Kontext-Änderung bei Fokussierung oder Eingabe nur nach entsprechendem Hinweis, einheitliche Navigation und Bezeichnung)
    • Fehlervermeidung und -korrektur (Fehleridentifizierung, Beschriftungen, Korrekturvorschläge, Fehlervermeidung)
  4. Prinzip 4: Robustheit
    • Kompatibilität mit Benutzeragenten (Syntaxanalyse, Name, Rolle, Wert)

BITV 2.0, Anlage 1, Priorität II (Soll)

Aufbauend auf die Muss-Kriterien mit Priorität I enthält Anlage 1 der BITV 2.0 folgende Anforderungen und Bedingungen als Soll-Kriterien (Priorität II):

  1. Wahrnehmbarkeit (Prinzip 1)
    • Alternativen für zeitgesteuerte Medien (Gebärdensprache, erweiterte Audio-Deskription, Volltext-Alternative, Live-Audio-Inhalte)
    • Wahrnehmung des Inhalts und Unterscheidung zwischen Vorder- und Hintergrund (Kontrast mindestens 7:1, bei Großschrift mindestens 4,5:1, keine oder abschaltbare Hintergrundgeräusche, bei visueller Präsentation von Textblöcken Vorder- und Hintergrundfarben auswählbar, Zeilenbreite maximal 80 Zeichen, Text nicht in Blocksatz, Zeilenabstand mindestens 1,5 Zeilen, Abstand zwischen Absätzen größer als Zeilenabstand, Text im Vollbildmodus mindestens bis auf 200% vergrößerbar, Vermeiden von Schriftgrafiken)
  2. Bedienbarkeit (Prinzip 2)
    • Tastatur-Zugänglichkeit (Tastaturbedienbarkeit)
    • ausreichend Zeit zum Lesen und Verwenden der Inhalte (keine Zeitbegrenzung, Unterbrechungen aufschieben oder unterdrücken, Wiederanmeldung ohne Datenverlust)
    • keine epileptischen Anfälle auslösen
    • Orientierungs- und Navigationshilfen (Zweck eines Links aus Linktext ersichtlich, Abschnittsüberschriften)
  3. Verständlichkeit (Prinzip 3)
    • Texte sind lesbar und verständlich (ungebräuchliche Wörter und Abkürzungen erläutern, einfache Sprache, ansonsten zusätzliche erklärende Inhalte, korrekte Aussprache aufzeigen)
    • Aufbau und Benutzung vorhersehbar (Kontextänderungen nur auf Nutzer-Anforderung oder abschaltbar)
    • Fehlervermeidung und -korrektur (kontextabhängige Hilfen, Fehlervermeidung durch Möglichkeiten wie rückgängig machen, korrigieren und bestätigen)

BITV 2.0, Anlage 2

In Anlage 2 zur BITV 2.0 werden folgende Vorgaben für die Bereitstellung von Informationen in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache im Internet oder Intranet festgelegt:

  1. Gebärdensprache:
    • Schatten auf Körper vermeiden, Mimik und Mundbild gut sichtbar
    • statischer Hintergrund (kein schwarz oder weiß)
    • Kontrast zwischen Hintergrund und Kleidung sowie Händen (Kleidung dunkel und einfarbig)
    • Video durch Deutsche Gebärdensprache-Logo kennzeichnen
    • Auflösung mindestens 320 x 240 Pixel
    • Bildfolge mindestens 25 Bilder je Sekunde
    • Gebärdensprach-Film auch als Datei zum Herunterladen, Angabe der Datei-Größe und Abspieldauer
  2. Leichte Sprache:
    • Abkürzungen, Silbentrennung am Zeilenende, Verneinungen sowie Konjunktiv-, Passiv- und Genitiv-Konstruktionen vermeiden
    • Leser persönlich ansprechen
    • Begriffe durchgängig in gleicher Weise verwenden
    • kurze, gebräuchliche Begriffe und Redewendungen verwenden, Fremdwörter anhand von Beispielen erläutern, zusammengesetzte Substantive durch Bindestrich trennen
    • kurze Sätze mit klarer Satzgliederung
    • Sonderzeichen und Klammern vermeiden
    • Inhalte durch Absätze und Überschriften logisch strukturieren, für Aufzählungen mit mehr als drei Punkten Listen verwenden
    • wichtige Inhalte voranstellen
    • klare Schriftarten mit deutlichem Kontrast, Schriftgröße mindestens 1.2em (120 Prozent), wichtige Informationen und Überschriften hervorheben (maximal zwei verschiedene Schriftarten verwenden)
    • Texte linksbündig, jeder Satz in neuer Zeile, Hintergrund hell und einfarbig
    • aussagekräftige Symbole und Bilder
    • Anschriften nicht als Fließtext
    • Tabellen übersichtlich gestalten

Seitenanfang

WCAG und BITV im Vergleich

Der große Vorteil der WCAG gegenüber der BITV liegt in der Untergliederung in drei Prioritäten, was den stufenweisen Ausbau einer barrierefreien Website besser ermöglicht.

Der Vorteil der BITV gegenüber der WCAG liegt in der Rechtsverbindlichkeit, nach der öffentliche Institutionen verpflichtet sind, bis/seit Ende 2005 ihre Internetauftritte und -angebote nutzerfreundlich und gebrauchstauglich zu gestalten und somit die Benachteiligung behinderter Menschen zu beseitigen. Letztendlich basieren die BITV-Vorgaben auf den WCAG-Vorgaben und sind ähnlich formuliert.

Allerdings gibt es bisher im deutschen Raum keine Regelung, was bei Nicht-Beachten der Kriterien erfolgt - in der Verordnung selbst wurden keine Sanktionen festgelegt.

Weiterführende Literatur:

Bundesministerium der Justiz:
Symbol für 'Artikel im Portable Document Format (PDF) verfügbar'
Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung - BITV), Seite 2654 ff.,
http://www.bgbl.de/Xaver/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl, Bundesgesetzblatt Teil I Nummer 49, Bonn, 23. Juli 2002
Hartmann, René:
Symbol für 'Artikel im Web verfügbar'
Zugänglichkeitsrichtlinien für Web-Inhalte 1.0,
World Wide Web Consortium,
Datei vom 11.01.2002 (Nachtrag 10/2012: Datei nicht mehr verfügbar - http://www.w3c.de/Trans/WAI/webinhalt.html)
Prof. Dr.-Ing. Bühler, Christian:
Symbol für 'Artikel im Web verfügbar'
Gesetze & Richtlinien,
http://wob11.de/gesetze/index.html, FTB,
Datei vom 30.09.2004
Bittner, Andreas K.:
Symbol für 'Artikel im Web verfügbar'
BITV 2006. Bevor die Claims abgesteckt sind,
http://barrierekompass.de/aktuelles/detail/bitv-2006-bevor-die-claims-abgesteckt-sind.html, Barrierekompass,
Datei vom 29.09.2004

Seitenanfang